Der 28. Juni 2025 ist ein wichtiges Datum für alle, die eine Online-Präsenz betreiben. An diesem Tag tritt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft. Das heißt, dass mit diesem Tag eine Vielzahl von Webseiten barrierefrei sein müssen – also Menschen mit Behinderungen den uneingeschränkten Zugang zu digitalen Inhalten ermöglicht. Dass sich dahinter eine große Herausforderung für Webseiten-Betreiber und Unternehmen verbirgt, zeigt eine Studie der Aktion Mensch, laut der 75 Prozent aller deutschen Webseiten bisher nicht barrierefrei sind. Wir klären daher in diesem Artikel, was es für Webseiten bedeutet, barrierefrei zu sein und inwieweit B2B-Unternehmen davon betroffen sind.
B2B-Unternehmen, deren Produkte oder Dienstleistungen sich nicht indirekt oder direkt an Endverbraucher und Nutzer richten, sind aktuell vom Barrierefreiheitsstärkungsgesetz nicht betroffen. Das bedeutet jedoch nicht, dass man sich als Anbieter im B2B nicht mit dem Thema auseinandersetzen muss. Zum einen wird in der Regel der Geltungsbereich solcher gesetzlichen Vorgaben sukzessive erweitert, so dass auch B2B-Unternehmen zu einem späteren Zeitpunkt davon betroffen sein werden können.
Zum anderen verlieren die Menschen ihre Beeinträchtigungen nicht, wenn sie im beruflichen Umfeld tätig sind. Von daher bietet eine barrierefreie Seite auch im B2B-Bereich Vorteile bei der Vermarktung von Produkten oder Dienstleistungen. Laut Statistischen Bundesamt (PM vom 19.07.2024) sind immerhin fast 10 Prozent der deutschen Bevölkerung (ca. 7,9 Millionen Menschen) von einer schweren Behinderung betroffen. Zudem steigt durch den demographischen Wandel die Anzahl der Personen, für die eine barrierefreie Webseite hilfreich sein kann. Deshalb ist es auch im B2B-Bereich empfehlenswert, die eigene Webseite dahingehend zu optimieren.
Die konkreten Anforderungen des Gesetzgebers umfassen neben den vier nachfolgend erläuterten Grundprinzipien des Web Content Accessibility Guidelines (WCAG), eine barrierefrei zugängliche „Erklärung zur Barrierefreiheit” sowie eine Kontaktmöglichkeit zur Meldung von Barrieren.
Die vier Grundprinzipien der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) sind Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robustheit.
- Wahrnehmbarkeit:
Alle Webseiten-Inhalte müssen dem User so präsentiert werden, dass er sie unmissverständlich wahrnehmen kann. Dazu zählen u.a. die Bereitstellung von Textalternativen für Nicht-Text-Inhalte, gute Farbkontraste für seheingeschränkte Nutzer und Alternativen für Audio- und Videoinhalte. - Bedienbarkeit:
Die Navigationselemente und Benutzeroberfläche der Webseiten müssen ohne Einschränkung von allen bedienbar sein. Dazu zählen u.a. die Vermeidung von Inhalten, die Anfälle auslösen können, vollständige Tastaturzugänglichkeit (Bedienbarkeit auch ohne Maus) und Unterstützungen in der Navigation. - Verständlichkeit:
Alle Informationen auf den Webseiten sowie die Bedienoberflächen müssen für alle User verständlich sein. Dazu zählen u.a. nachvollziehbare Navigations- und Seitenstrukturen, Eingabehilfen und Fehlervermeidung sowie selbstverständlich lesbare und verständliche Texte. - Robustheit:
Webseiten sollen robust sein. Das bedeutet, dass sie kompatibel mit aktuellen und zukünftigen Benutzeragenten (Webbrowser, Apps, E-Mail-Clients) und assistiven Technologien sind. Eine wichtige Voraussetzung dafür ist ein valider HTML-Code sowie die richtige Verwendung von Webtechnologien.
Warum ist Barrierefreiheit wichtig für B2B-Unternehmen?
Barrierefreie Webseiten helfen zunächst einmal Personen mit Beeinträchtigungen, sich im World Wide Web zurecht zu finden. Da dies – wie eingangs beschrieben – einen größeren Personenkreis als gemeinhin gedacht umfasst und barrierefreie Webseiten technisch klar strukturiert sein müssen, bietet die Berücksichtigung des Themas auch auf B2B-Märkten tätige Unternehmen zahlreiche Vorteile.
Der naheliegendste ist die Inklusion aller Menschen bei der Nutzung der eigenen Webseite. Da eine Umsetzung für B2B-Unternehmen aktuell noch nicht rechtlich vorgeschrieben ist, hat man hier die Chance, sich vom Wettbewerb positiv abzusetzen. Zudem erhöht es im Bereich Recruiting die Bandbreite bei der Gewinnung neuer Mitarbeiter.
Zum genannten Kernanliegen der Inklusion von Menschen verbinden sich mit der Barrierefreiheit auch technische Vorteile. Natürlich sollte eine Webseite stets gut strukturiert und technisch „sauber“ umgesetzt sein. Die Ausrichtung der Webseite an den Anforderungen des BFSG sensibilisiert aber im besonderen Maße für eine gute Struktur: Eine ordentliche Seiten- und Navigationsstruktur oder die vollständige Einbindung von Textalternativen hilft nicht nur Beeinträchtigten, sondern unterstützt auch Google und anderen Suchmaschinen dabei, die Webseite besser zu verstehen. In der Regel führt das zu mehr Sichtbarkeit in Suchmaschinen – und damit am Ende häufig auch zu mehr Leads.
Die praktische Umsetzung im B2B-Bereich
Die barrierefreie Umsetzung der Webseite kann unterschiedlich konsequent erfolgen. Die Realisierung einer vollständig barrierefreien Webseite ist nicht ohne Aufwand. Wobei eine solche Webseite eine strikte Trennung von Inhalt, Struktur und Design gewährleisten sollte, was aber bei modernen Content-Management-Systemen (CMS) standardmäßig der Fall ist. Diese Trennung von Text und Layout hat den Vorteil, dass die Inhalte besser für beeinträchtige Nutzer und assistive Technologien zugänglich sind. Dennoch stellt die vollständige Barrierefreiheit gemäß Barrierefreiheitsstärkungsgesetz erhöhte Anforderungen an das Design und die Pflege der angebotenen Inhalte, was ein genaues Abwägen sinnvoll macht.
Dagegen kann man auch mit vertretbarem Aufwand und etwas Sorgfalt dafür sorgen, dass die Webseite für zahlreiche Personen mit Beeinträchtigungen sehr gut zugänglich ist.
- Kontrast von Vorder- und Hintergründen:
Achten Sie auf den Kontrast und Farbkombinationen. Die Kombination bestimmter Farben weist nur einen geringen Kontrast auf. Dies gilt z.B. für helles Grau und Weiß, aber auch die Kombination aus Schwarz und Rot. Auch Rot und Grün können bei Farbfehlsichtigkeit zu einer Herausforderung werden, ebenso kann starke Sonneneinstrahlung im Sommer bei Smartphones dazu führen, dass Texte und Grafiken schwer zu erkennen sind. Ein hoher Kontrast bei der Verwendung der Farben, beispielsweise für Text auf farbigen Hintergründen, ist daher empfehlenswert. - Bedienbarkeit von Schaltflächen & Links:
Achten Sie auf eine gute Nutzbarkeit von Buttons und Links. Neben motorischen Einschränkungen gibt es auch hier zahlreiche Gründe, die zu Schwierigkeiten bei der Nutzung von Links oder Schaltflächen führen. Daher sollten Buttons in mobilen Ansichten immer eine Mindestgröße und einen Mindestabstand zueinander aufweisen. Ganz allgemein sollte immer eine Navigation innerhalb der Webseite über die Tabulator-Tasten möglich sein. - Einfache Texte:
Achten Sie auf die Verständlichkeit von Texten. Die Anzahl der Personen mit Leseschwäche nimmt in Deutschland kontinuierlich zu. Auf lange Schachtelsätze, unverständliche oder nicht erklärte Fremdwörter sowie unklare Abkürzungen sollte daher verzichtet werden. Davon abgesehen freuen sich ohnehin alle User, wenn sie kurze und unkomplizierte Sätze in verständlicher Sprache vorfinden. - Optimierung für Screenreader – Seitenstruktur & Alternativtexte:
Eine gute Seitenstruktur und die konsequente Nutzung von Alt-Texten treibt nicht nur die Inklusion sehbehinderter und blinder Menschen voran, sondern wird zukünftig auch direkte Auswirkungen auf die Sichtbarkeit in Suchmaschinen haben. Eine ordentliche Überschriften-Strukturierung (H1-H6) unterstützt sog. Screenreader bei der Erfassung der Inhalte. Finden diese Screenreader sinnvolle Bildbeschreibungen und Alternativtexte vor, hilft das Personen mit Seheinschränkungen beim Verständnis der Webseite.
Die entsprechende Umsetzung kann gut durch Anpassungen in Design, Programmierung und durch eine gewissenhafte Content-Pflege erfolgen. Es gibt für zahlreiche Content-Management-Systeme auch Plug-ins für barrierefreie Webseiten, die viele vom BFSG geforderte, grundlegende Funktionalitäten mitbringen. Allerdings helfen diese Plug-ins nur, wenn die Webseite bereits grundlegend barrierefrei konzipiert ist und die entsprechende Struktur, ein geeignetes Design und vollständige Inhalte aufweist.
Bevor die Optimierung beginnt, sollte natürlich eine Analyse des aktuellen Zustands erfolgen. Hier können Sie Dienstleister wie wir unterstützen. Es gibt mittlerweile aber auch zahlreiche Tools, die Ihnen dabei helfen, den aktuellen Stand der Barrierefreiheit der eigenen Webseite zu ermitteln.
Das Thema barrierefreie Webseiten ist also auch für im B2B tätige Unternehmen ein wichtiges und relevantes Thema, mit dem man sich mit Blick auf die Zukunft auseinandersetzen sollte. Auch wenn das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz es nicht explizit einfordert: Auch im B2B-Bereich lohnt sich eine Analyse und zumindest eine teilweise oder schrittweise Implementierung auf jeden Fall.
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